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Solarbildung an Schulen: Aber bitte emotional!

Interview mit Matthias Schmuderer, Solarbrief Ausgabe 12.9.2023, Solarenergie Förderverein Deutschland e.V.


Es gibt viele Bildungsangebote zu Klima und Energiewende von unterschiedlichen zivil- gesellschaftlichen Organisationen. Solar for Schools Bildung ist eine davon. Die gemein- nützige und durch Spenden finanzierte gGmbH möchte die Nutzung von Solarenergie mit praktischen Lehrmaterialien verbinden. Wir haben uns mit Gründer und Geschäftsführer Matthias Schmuderer unterhalten.

Interview ― Kyra Schäfer


Solarbildung ist eine von vielen Organisationen, die Wissen zu Erneuerbaren Energien in die Schulbildung integrieren möchte. Was macht ihr genau? Wir wollen Energieerzeugungsanlagen (aktuell fokussiert auf Photovoltaik) an Schulen im weitesten Sinne als Lehrmittel begreifen. Das ist unser Ansatz und Fokus. Photovoltaik ist so wichtig, sie berührt uns in allen Dingen, die wir tun. Wir entwickeln Unterrichtseinheiten und -Inhalte zur Solarenergie, und zwar idealerweise für jedes Fach und nicht nur Physik und Chemie, sondern genauso Mathe, Ethik, Politik, Sport, oder Geschichte. Weil nicht jede Schule eine Solaranlage hat, entwickeln wir auch Hardware, Experimente und Lernspiele. Gerade haben wir eine Photovoltaik-Lehrmittelanlage in der Entwicklung.

Wie kam die Idee zustande, Solarbildung zu machen? Alles, was wir hier auf der Erde nutzen, ist am Ende solare Energie. Ehrlicherweise auch unser fossiles Erdöl. Wir möchten das Wissen über Solarenergie zu den Schüler:innen bringen und zwar hands-on: so wenig intellektuell wie möglich, sondern so emotional wie irgendwie geht. So wie heute jede:r Zug fährt, Fahrrad fährt, oder eine Waschmaschine besitzt – wir wollen, dass alle eine Photovoltaikanlage bei sich haben. Weil's einfach dazugehört, weil's einfach nichts anderes gibt. Jede:r hat einen Kühlschrank, jede:r hat eine Photovoltaikanlage. Das ist unsere Vision.

Es gibt Solar for Schools und die Solar for Schools Bildung – was sind die Unterschiede? Die Grundidee von Solar for Schools, die primär in England sitzen, kam von Robert Schrimpff und Martin Augustin. Vor acht bis zehn Jahren hatten sie die Idee, Solar for Schools zu grün- den. Dabei sollte der Schule über eine eigene PV-Anlage günstig Strom verkauft werden, um aus den überschüssigen Einnahmen Geld für Bildung übrig zu haben. Sie sind dann von extern an die Schulen gegangen und haben dort Solarbildung gemacht. Die Idee war, die Hausdachanlage für Solarbildung zu nutzen, oder Solar-Bildungstage mit den Wartungs- besuchen der Anlage zu koppeln. Aber das war mir nicht genug, weil ich die Sorge habe, dass das irgendwann einschläft. Ich finde, die Solarbildung muss die Schule selbst machen, nur so wird das dauerhaft in der Schule verankert. Darum haben wir 2021 die Solar für Kinder Bildung gGmbH gegründet. Damals war das noch eine hundertprozentige Tochter der Solar für Kinder GmbH, die wiederum eine hun- dertprozentige Tochter von Solar for Schools ist. Aber dann wollten wir unabhängig von den zwei Businessunternehmen werden und haben vor drei Monaten die gGmbH übernommen. Die gGmbH gehört jetzt drei natürlichen Personen: Mike Marqués, Michael Fehn und mir. Jetzt sind wir gesellschaftsrechtlich völlig unabhängig.


Solar for Schools macht aber ebenfalls Solarprojekte in Deutschland? Das hängt vom Projekt ab. Wenn es ein Photovoltaik-Projekt ist, dann macht das die Solar für Kinder GmbH. Klassische Dachanlagen auf Schulen, das betreut Solar für Kinder. Also die deutsche Firma von Solar for Schools.

Wie zieht ihr die Solarbildung auf? Unser Angebot an Schulen ist sehr klar strukturiert. Als Hardware haben wir ein PV-Lern- Spiel. Das eignet sich vom Vorschulalter bis zur sechsten, siebten Klasse – je nach Fach. Für die Jahrgänge ab der 9./10. Klasse haben wir ein Experimente-Set. Darüber hinaus haben wir eine eigene PV-Lehrmittelanlage, die zurzeit aber noch in der Entwicklung steckt. Das ist im Prinzip eine Balkon-Solaranlage mit einer eigens entwickelten Unterkonstruktion, die die Schüler:innen selbst aufbauen können. Parallel dazu gibt es Unterrichtsinhalte, die sich Lehrer:innen zukünftig in unserem Online-Shop runterladen können. Der Online-Shop für die Inhalte ist noch im Aufbau, der für die Lehrmittel funktioniert aber schon. Künftig wird es dann unterschiedlichste Inhalte geben, zum Beispiel 300 Minuten Content für eine Ethik- Unterrichtsreihe.

Wie verknüpft ihr denn Ethik-Unterricht mit Solarenergie? Wir nehmen die Geschichte vom Goldesel, als ewig sprudelnde Quelle. Die Idee nie versie- gender "Füllhörner" kommt aus der griechischen Mythologie. Tatsächlich leben wir heute mit ganz vielen solchen – allerdings künstlichen – Füllhörnern. Strom kommt aus der Steckdose. Essen aus dem Supermarkt. Aber das stimmt ja nicht. Alles ist endlich, alles ist endlich auf der Erde, bis auf eine Sache. Und das ist die Sonne! Das ist unser aller Füllhorn in menschlichen Dimensionen. So nutzen wir die Sonne im Ethik-Unterricht. Eine ganz positive Unterrichts- einheit, weil sie zeigt, wie chancenreich es ist, wenn wir den Mut haben, die Sonne als das zu akzeptieren und zu nutzen, was sie ist. Und dann fragen wir weiter: Was können wir mit Solarenergie machen? Wie viel Strom braucht ihr selber? Es gibt auch einen Workshop von uns, in dem die Schüler:innen mit der Lehrkraft zusammen ihren eigenen Stromverbrauch abschätzen.

Sind die anderen Stunden und Fächer auch schon ausgearbeitet? Einige. Die Mathestunde gibt es natürlich, das ist naheliegend. Es gibt eine Englischstunde, dort wird mit der App von Solar for Schools gearbeitet, mit der Dachflächen virtuell mit PV-Modulen ausgestattet werden können. Da projektieren die Kinder die eigene Schuldach- anlage. Wenn es schon eine Anlage gibt, können die Kids die Anlage nachbauen. Dann haben wir die politische Stunde im Aufbau, wo es darum geht, eine Petition für die eigene Dachanlage auf die Beine zu stellen. Und wenn die erfolgreich ist, dass der Landrat sagt: “Ja, wir brauchen eine Solaranlage”, dann könnte die von der Solar für Kinder GmbH realisiert werden. Und dann haben die Lehrkräfte die Möglichkeit, eine echte Anlage in ihren Unterricht einzubeziehen. Zum Beispiel per Livestream oder ähnliches. Eigentlich gibt es für jedes Fach Bezugspunkte, auch für den Sportunterricht.

Wer erstellt denn bei euch die Unterrichtseinheiten? Viele Einheiten werden von Studierenden geschrieben. Manche Lehrkräfte bemängeln zwar, dass es keine professionellen Pädagog:innen sind, aber wir sehen das anders. Ganz im Gegen- teil: die Studierenden sind alle noch im Thema Schule drin, die wissen genau, was sie gern gehört hätten, was sie interessiert hätte. Und das setzen sie nun um. Die Ethik-Reihe haben eine junge Frau aus Indien und ein junger Student aus der Region erarbeitet, basierend auf der Idee von Jochen Wagner (Studienleiter für Theologie und Gesellschaft (u.a.) an der evan- gelischen Akademie Tutzing).

Ein Problem bei der Solarbildung ist ja momentan, dass es immer eine auf Frei- willigkeit und Eigeninitiative basierende Angelegenheit ist, ob die Schulen das in den Unterricht integrieren oder nicht. Wie kommt ihr mit den Schulen in Kontakt?

Ich komme aus der Wirtschaft, und ich denke immer, wenn eine Idee gut ist, dann wird sie angenommen. Aber wir haben auch einen Vertriebler im Team, der die Schulen proaktiv kontaktiert. Außerdem hat unser Angebot schon Lehrplanrelevanz, weil wir unsere Lern- inhalte an Lehrplänen orientieren. Leider haben wir in Deutschland aber viel zu viele Cur- ricula – 16 Bundesländer, 16 verschiedene Konzepte. Allein in Bayern gibt es dazu etwa sieben Schularten, und jede hat einen eigenen Lehrplan – das ist völlig gaga! Wir wollten ursprünglich unsere Inhalte punktgenau anpassen, aber das geht nicht. Nein, letztlich müs- sen die Lehrer:innen schon Lust auf die Dinge haben. Und den Schüler:innen muss es Spaß machen. Wenn wir den Lehrkräften was an die Hand geben, das sie verstehen – Unterrichts- materialien, mit denen sie relativ anstrengungslos eine spannende Schulstunde umgesetzt kriegen – dann bekommen wir den Schneeballeffekt.

Vermittelt ihr nur euer Arbeitsmaterial weiter oder nehmt ihr die Lehrkräfte nochmal zusätzlich an die Hand, um ihnen das grundlegende Solarwissen beizubringen? Wir haben tatsächlich in diesem Frühjahr schon zweimal Webinare für Lehrer:innen zu unse- ren Experimenten angeboten. Wir werden aber auch Videos zu den Lernmaterialien erstellen und wir machen eine Vorstellung von der neuen Unterrichtseinheit. Da sind viele Ideen, wir müssen nur schauen, was wir wann umsetzen können.

Das heißt, die Lehrkräfte können sich über Workshops bilden, aber es gibt auch Anleitungen, die sie befähigen, den Unterricht selber auszuarbeiten?

Es ist schließlich wichtig, dass Solarbildung nicht von externen Referent:innen abhängig ist. Genau. Die Bildung muss aus den Schulen selbst kommen, und wir wollen den Lehrer:innen Materialien an die Hand geben, die sie in die Lage versetzen, etwas zu machen, was sie ohne uns vielleicht nicht machen würden. Und engagierte Lehrkräfte können sich das auch selber überlegen. Aber das kostet dann vielleicht einen oder zwei Nachmittage. Mit uns können sie zwischen Workshops oder Projekten wählen und an ihre Schule anpassen, an ihre eigenen Kompetenzen.

Und mit wie vielen Schulen steht ihr jetzt momentan in Kontakt? Wie viele Schu- len haben schon bei euch Materialien abgerufen? Die Experimente-Kiste wurde bisher an zwei Schulen ausgeliefert. Von der dritten Schule haben wir eine große Bestellung bekommen. Es ist auch mit 3.300 Euro sehr teuer, ehrlicher- weise, allerdings können 16 Schüler gleichzeitig damit arbeiten. Lernspiele haben wir ca. 20 verkauft. Ich bin mit der Idee des Verkaufens auch noch nicht glücklich, aber wir müssen uns irgendwie refinanzieren können, auch innerhalb der Gemeinnützigkeit. Das Set wird von einer Caritas-Werkstatt für behinderte Menschen — so nennen sie sich selbst — produziert.

Und mit denen wollen wir auch die Einnahmen fair auftei- len, weil die viel mitgewirkt haben, auch konzeptionell.

Haben die Schulen denn ein Budget für solche außerordentlichen Lehrmittel? Das ist total unterschiedlich. In einer Schule mit einem sehr engagierten Physiklehrer wurde das Budget einfach vom Schulleiter genehmigt. Und das ist wichtig, weil es garan- tiert, dass das Material am Ende nicht einfach rumliegt. Es ist nicht das Ziel, jede Schule mit einer Experimentier-Kiste auszustatten, die letztlich nicht genutzt wird.

Seid ihr auch mit Teachers for Future vernetzt? Nein, noch nicht. Wir sind ganz, ganz schlecht in diesen Din- gen momentan. Auch Lobbyarbeit in der Politik. So was ha- ben wir einfach noch nicht geschafft.

Im SFV-Team waren wir sehr beeindruckt, dassdie Schüler:innen mit der APP tatsächlich selbst eine eigene Anlage projektieren und das Ergebnis optischso toll aufbereitet wird. Das gebe ich gerne an Rainer weiter, der dieses Programm gebaut hat. Allerdings wird immer geschimpft, dass es noch nicht gut genug ist. Aber es ist ein tolles Programm, nur darf man nicht auf die Goldwaage legen, was dabei rauskommt. Dafür ist es zu ungenau. Das Problem ist, dass Menschen immer zahlengetrieben sind. Dann geht es nur noch darum, wie viel kWp aufs Dach passt. Dabei geht es uns wirklich nicht um die exakte Berechnung auf vier Stellen hinterm Komma. Uns geht es um die Emotion.

Wir sprechen in diesem Solarbrief auch über das Problem des Fachkräfteman- gels. Und da ist es natürlich toll, wenn die Schüler:innen schon anfangen, Spaß daran zu entwickeln, Solardächer zu projektieren. Ja, die App vermittelt die Praxis schon ganz gut. Auch bei der PV-Lehrmittel-Anlage wird’s richtig praktisch. Die soll von den Schüler:innen ja selbst aufgebaut und ausgerichtet werden. Im Prinzip funktioniert sie wie eine kleine Dachanlage, allerdings können Ausrichtung und Neigungswinkel manuell verändert werden. So können viele unterschiedliche Daten aufge- nommen und verglichen werden. Wir dachten erst, die bleibt dann stehen, wo sie ist, aber die Lehrkräfte an einer Schule wollen sie nach drei Monaten wieder abbauen und von der nächsten Klasse wieder aufbauen lassen. Da geht es auch um die Haptik, darum, dass die merken, da sind Berufe dahinter. Ja, da ist ein Elektriker dahinter, da sind Dachdecker dahinter, und dann kann man das thematisie- ren. Daran kann ein Lehrer die Berufsbilder erläutern. Das geht auch in Berufsschulen rein.

Und dann wird die Lehrmittelanlage auch für die anderen Fächer genutzt? Das ist der Plan. Und Möglichkeiten gibt es reichlich. Zum Beispiel nach den Bundesjugend- spielen. Da können die Schüler:innen mal ausrechnen, wie viel Energie dort umgesetzt wird. Du kannst einen 1000-Meter-Lauf in Energie umrechnen usw. Und nach dem Tag, wenn sie richtig kaputt sind, können sie berechnen, was sie geschafft haben und dann vergleichen, was die Anlage gemacht hat.

Das klingt ambitioniert und nach viel Spaß und Abwechslung! Wir drücken die Daumen, dass es bald viele Lehrmittelanlagen an Schulen gibt und danken für das Gespräch!


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